Montag, 28. Dezember 2009

Gangstarr Foundation im Skaters Palace

„Bei mir gibt es zwei Regeln. Erstens: Ich hab nur Spaß, wenn ihr auch Spaß habt. Also macht mal Lärm! Und zweitens: Wenn ich Sachen sage wie: Macht mal Lärm! Dann macht ihr gefälligst Lärm!“ Schlicht und ergreifend - Jeru the Damaja steht auf klare Ansagen, und wenn er ein Konzert gibt, dann hat das Publikum nach seiner Pfeife zu tanzen. So auch am Samstag im ausverkauften Skaters Palace. Und die Rechnung geht auf: Ob sie nun im dreistimmigen Chor den Refrain vom Gassenhauer „Come Clean“ skandieren oder ihn unisono zum „schwarzen Kaiser“ ernennen, wie er es in gebrochenem Deutsch fordert, Jeru hat an diesem Abend den ganzen Laden in der Tasche, von den Rabauken im Gedränge direkt vor der Bühne bis zu den Fans auf der Empore, die dicht an dicht an der Brüstung lehnen und aus der sicheren Vogelperspektive das Geschehen verfolgen.
Es ist so einer dieser Abende, wo der ganze Laden wie ein einziger Organismus wirkt, wo die Chemie stimmt, die Fans mit Hingabe jeden Quatsch mitmachen und der Spaß auf beiden Seiten der Bühnenabsperrung gleich groß ist. Man könnte auch sagen: es ist eine Win-Win-Situation. Passend zu Weihnachten sind mit Jeru, Afu-Ra und Lil Dap gleich drei Legenden des New Yorker Hip Hop nach Münster gekommen, um den Klassiker-Durst der Fans zu stillen und sich dabei noch einmal gebührend feiern zu lassen. Die Glanzzeiten der Protagonisten sind zwar längst vorbei, doch das stört heute Abend niemanden.
Afu-Ra, der erste im Bunde, bringt mit den Hits seines 2000er Debut-Albums noch immer ganze Clubs zum Durchdrehen. Aus dem Repertoire der Hip Hop-DJs ist er nie verschwunden, umso erfreulicher ist es, die Nummern noch einmal live zu sehen. Doch die Nostalgie wird erst mit dem Auftritt von Lil Dap perfekt, der sich mit Sonnenbrille, Trainingsjacke und einem Tuch über der Baseball-Kappe geheimnisvoll gibt: wenn der kleingewachsene Rap-Veteran zu den schleppenden Beats von Produzent DJ Premier seine düsteren Geschichten aus den Ghettos von Brooklyn erzählt, scheint die Zeit stillzustehen. Das ist Rap-Musik, wie sie sein soll, roh und ungeschnitten.

Headliner Jeru The Damaja steht dann zwar in der gleichen Tradition, aber sein Auftritt lebt mindestens ebenso vom Entertainment-Element. Er liebt es, mit den Fans zu schäkern („Ihr seid lustig!“), ulkt herum und vergisst dabei manchmal fast die Musik. Aber zum Glück nur fast. Denn Jeru ist auch ein hervorragender Performer und eine wahre Rampensau. So reicht nach dem Konzert ein kurzer Blick in die zahllosen glücklichen Gesichter als Bestätigung: ein wahrhaft großer Abend.






Königsklasse Vol. 5 im Skaters Palace

„Stellt euch vor, ihr seid auf einer Insel in der Karibik. Es ist heiß, die Sonne strahlt, das Meer glitzert, keine Wolke ist am Himmel zu sehen…Aber das ist nur ein Traum! Die Realität ist: ihr seid in einem Lokal in Münster, und ihr müsst mich ertragen – Taktloss!“ Angesichts des Schneetreibens und der eisigen Temperaturen hätte sich am Samstagabend wohl so mancher der Gäste im Skaters Palace lieber auf einer Südseeinsel gewähnt. Doch beim Auftritt des Westberliner Rappers Taktloss scheint die Realität für die euphorischen Fans eine willkommene Alternative zum Strandurlaub zu sein. Überhaupt sprechen am Samstag viele Gründe für einen Besuch des Hip Hop-Tempels am Dahlweg – zur bereits fünften Ausgabe der „Königsklasse“ haben sich wieder einige illustre Abgesandte der deutschen Rap-Prominenz zusammengefunden, um zusammen der alten Zeiten zu gedenken, und, das muss dieses Mal besonders groß geschrieben werden, eine wilde Party zu feiern.
Taktloss, Creutzfeld & Jakob, die Spezializtz – die drei Hauptakteure des mit gleich sechs aufeinanderfolgenden Auftritten rappelvoll gepackten Abends sind nämlich allesamt nicht gerade für Zurückhaltung und Sanftheit bekannt. Stattdessen wurde die härtere Gangart angekündigt. Zuerst Taktloss: Der Westberliner begeht den schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn wie kein Zweiter. Seine Texte sind größtenteils nicht jugendfrei, sein Frauenbild ist äußerst fragwürdig, und auf der Bühne untermauert er seine abwegigen Thesen und Vergleiche mit einem Plastikmaschinengewehr. Die einen vergöttern ihn dafür, die anderen hassen ihn – an diesem Abend aber sind die Huldiger eindeutig in der Überzahl.
Creutzfeld & Jakob lassen danach den traditionellen Ruhrpott-Sound wieder aufleben und beweisen mit Nachdruck, warum sie vor zehn Jahren zu den Speerspitzen der deutschen Rapszene gehörten. Flipstar und Laki, die Frontmänner der vierköpfigen Crew, sind bestens aufgelegt, die Beats knallen wie eh und je, von Patina keine Spur.
Den krönenden Abschluss bildet dann der Auftritt der Berliner Spezializtz, die ebenfalls vor rund einer Dekade das Zeitalter von „Gras, Becks und Zärtlichkeit“ (G.B.Z.) ausriefen. Und auch hier ist alles beim Alten: Dean und Harris zelebrieren die G.B.Z.-Dreifaltigkeit, geben sich gönnerhaft und verteilen, ganz zur Freude der „schönen Menschen“ im Publikum und im Dienste der Party, zwei Kisten Bier unter den Fans. Dann gehen die grünen Flaschenhälse in die Höhe, und unisono erklingt die Parole: „Prost!“



Sonntag, 13. Dezember 2009

Muff Potter Abschiedskonzert im Jovel

Eigentlich wollte Nagel gar kein Punk werden. Dass er dann aber doch diesen Weg eingeschlagen hat, haben wir unter anderem einer Großraumdisco in seiner Heimatstadt Rheine zu verdanken. Denn, so will es zumindest die Legende, er fand das Publikum dort so stupide, dass ihm letztendlich gar nichts anderes übrig blieb. So hieß es: Roxy oder Punk. Nagel entschied sich für letzteres und gründete mit Bernd Ahlert eine Band, die sich nach einer Figur aus Tom Sawyer „Muff Potter“ nannte und Musik im Stile der Punkband EA80 machen wollte.
Das war vor sechzehn Jahren, Nagel war damals 17 Jahre alt. Heute, ein halbes Leben später, hat die Band acht Alben und zahlreiche Singles veröffentlicht und sich zu einer der wichtigsten deutschen Punkbands aufgeschwungen. Doch auch die besten Zeiten gehen vorbei – im Sommer hat die Band ihre Auflösung bekannt gegeben. Um sich gebührend zu bedanken und auf Wiedersehen zu sagen, ging die Band im Dezember auf große Abschiedstournee, am Samstag gab es das allerletzte Konzert vor rund 1500 Fans in Münsters Jovel.
Zeit für ein Resümee: 18 Konzerte haben Muff Potter hier gespielt, vom Kebabhaus bis zur Halle Münsterland, in neun verschiedenen Läden. „Das muss man in Münster erstmal schaffen!“, wie Nagel betont. Das Konzert im Jovel sollte aber alle vorherigen Gigs in den Schatten stellen und einen grandiosen Schlusspunkt setzen – so voll war es auf einem Muff Potter-Konzert noch nie. Dementsprechend gerührt zeigte sich die Band dann auch von der Begeisterung und der Hingabe, mit der die Fans das Konzert feierten und im Lamettaregen die Hits noch ein letztes Mal mitsangen, von „Unkaputtbar“ über „Blitzkredit Bop“ bis zu „22 Gleise später“.
Es mag Zufall sein, dass Muff Potter so viele Lieder über Abschiede geschrieben haben, doch am Samstagabend machte das alles Sinn. „Fahr mich einfach nach Hause, frag nicht nach Morgen“ hieß es da programmatisch, oder: „Geht so das Ende? Das kann’s doch nicht gewesen sein“. Doch so ist das nun mal mit dem Abschied nehmen. Leicht ist es nie, und meistens tut es auch ein bisschen weh. Kein Wunder, dass am Samstag keiner so richtig gehen wollte. Doch einen würdigeren Abschied hätte es nicht geben können. Und am Ende bleibt, in den Worten von EA80, ein hoffnungsvolles „auf Wiedersehen!“

Silbermond in der Halle Münsterland

Man sagt den Münsteranern ja vieles nach, aber dass sie besonders gut tanzen können, ist wohl eher ein Gerücht. Doch wie das nun mal so ist mit Gerüchten – ein Fünkchen Wahrheit ist immer dabei. Und so kommt es, dass Stefanie Kloß, die Frontfrau von Silbermond, es am Freitagabend tatsächlich schafft, zehn spontane Fans zum Tanzen auf die Bühne zu holen. Na gut, Tanzen heißt in diesem Fall eher klatschend auf und ab hüpfen, und überhaupt hätte Kloß mit den rund 5000 Fans alles Mögliche anstellen können – aber ein schönes Bild ist es trotzdem.

Als die Bautzener am Freitag in der Halle Münsterland ihr Zusatzkonzert zur „Nichts Passiert“-Tour spielen, liegen ihr die Fans zu Füßen. Wenn sie klatscht, klatschen alle mit, wenn sie springt, springt die ganze Halle, wenn sie aussetzt, singen die Fans für sie weiter. Das muss Liebe sein, und Kloß weiß das zu schätzen, ist eine Frau des Volkes und wagt sich schon nach drei Stücken auf den eigens angelegten Laufsteg in Richtung Hallenmitte, um ein Bad in der Menge zu nehmen. Doch damit nicht genug: während Bassist Johannes Stolle kurz darauf eben jenen Laufsteg besteigt, um ein veritables Slap-Bass-Solo hinzulegen, nutzt Kloß die Ablenkung, um sich mit Gitarrist Thomas Stolle heimlich in den hinteren Teil der Halle auf die Tribüne zu begeben.
Was dann kommt, ist, natürlich, der Gänsehaut-Teil der Show. Spot an, Stecker raus - „Symphonie“, einer der größten Hits der Band, wird unplugged kredenzt, begleitet von einem tausendfachen Backgroundchor. Da macht es auch nichts, dass Kloß einen Frosch im Hals hat, die Fans übernehmen das Singen gerne für sie. Bei näherer Betrachtung ist aber nicht alles so silber, wie es glänzt – das musikalische Konzept der Bautzener aus Balladen, Power-Rock und zielgruppennahen Befindlichkeitstexten ist schnell durchschaut und wird spätestens nach einer Stunde langweilig, der Pathos im Gesang kann die stimmlichen Schwächen von Kloß, gerade in den höheren Lagen, nur notdürftig übertünchen, und wenn sie politisch korrekt gegen Nazis Stellung bezieht, wirkt sie eher wie eine singende Klassensprecherin als wie ein Popstar.
Aber geschenkt: Die Rechnung geht auf, gerade flottere Nummern wie „Optimisten“ setzen in der Live-Umsetzung eine ungeahnte Energie frei. Und wie Kloß auf dem Weg zurück zur Bühne mitten durch das Fan-Meer schreitet, wie sie die 5000 Gäste zu einer perfekten La Ola-Welle animiert – das hat schon was. So wird, wer die Skepsis überwindet, am Ende zumindest gut unterhalten und bekommt ein paar schöne Momente auf dem Silbertablett serviert.

Deichkind in der Halle Münsterland

Exzess, Grenzüberschreitung, Spektakel, Party und Aufruhr – das sind die wichtigsten Vokabeln, wenn man sich dem Phänomen Deichkind nähern will. Die Musik der Hamburger ist der ultimative Soundtrack zu jeder Abrissparty, ihre Konzerte gleichen wilden, psychedelischen Orgien. Mit ihrem Über-Hit „Krawall und Remmidemmi“ haben sie die Hymne einer ganzen Partygeneration geschrieben und selbstbewusst die Führung übernommen, gekleidet in Müllsäcke und mit wehenden Fahnen, auf denen in großen Neonbuchstaben der Schlachtruf steht: „Yippie Yippie Yeah!“ Deichkind haben Geschichte geschrieben, ihre legendären Auftritte haben Maßstäbe gesetzt, doch jetzt ist erstmal Schluss: nach fünf Jahren Dauerparty und zwei erfolgreichen Alben gehen die Hanseaten in den Vorruhestand, die Zukunft ist ungewiss.

Doch Deichkind wären nicht Deichkind, wenn sie sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden würden. Gerade ist die Band auf großer Abschiedstournee, am Freitag waren die Krawallbrüder in der Halle Münsterland, um noch ein letztes Mal die Sau rauszulassen. Und es sollte ein wahres Spektakel werden, eine Reise in eine Parallelwelt aus Schwarzlicht, Neonfarben und bizarren Kostümen. Zu stampfenden Elektrobeats, bratzigen Bässen und paranoid verzerrten Synthies nimmt die „Electric Super-Danceband“ die ausgelassene Menge mit auf einen wilden, psychedelischen Drogentrip. Von Anfang an ist die Stimmung am Siedepunkt, es dauert keine fünf Minuten, bis die Sanitäter die ersten erschöpften Fans aus der Menge ziehen müssen. Kein Wunder – Deichkind versteht es wie kaum eine andere Band, die Fans gezielt in den Ausnahmezustand zu steuern.

Und dabei ist die treibende Musik nur ein Faktor. Denn der Auftritt der Hamburger ist voll von visuellen Highlights und verrückten Showelementen: Stroboskop-Lichter zucken durch die Luft, Laserstrahlen und Schwarzlicht tauchen die Bühne in ein unwirkliches Licht, fluoreszierende Schminke und Kostüme tun ihr übriges. Dazu ergänzen unzählige Requisiten die eh schon verrückte Show, im Fünfminutentakt werden die absurdesten Geräte und Gegenstände aus der Zauberkiste hervorgeholt - ein überdimensionierter Schwimmring, Trampoline und Hüpfburgen, Mofas, ein Voodoostab und zahllose Verkleidungen. Zwei Stunden lang feiert die Band so ihren bizarren Maskenball und geht dabei bis ans Limit und darüber hinaus – ein psychedelisches Gesamtkunstwerk, das wohl ewig unerreicht bleiben wird.





William Fitzsimmons in der Martinikirche

Wenn Anfang Dezember ein Mann mit Rauschebart daher kommt, um die Menschen glücklich zu machen, liegt es eigentlich auf der Hand, um wen es geht. Und wenn dann auch noch eine Kirche mit ins Spiel kommt, ist sowieso alles klar. Wer am Donnerstagabend die lange Schlange vor der effata-Jugendkirche in der Neubrückenstraße aber mit einem verfrühten Nikolausbesuch in Verbindung brachte, lag zumindest halb daneben. Der Mann, wegen dem die rund sechshundert Menschen in die Kirche gepilgert waren, hat zwar einen Bart, und Geschenke brachte er auch – zumindest in akustischer Form – ansonsten hat er aber nicht viel mit dem heiligen Nikolaus gemein. Mit Hornbrille, Holzfällerhemd und Wollmütze sieht William Fitzsimmons eher aus wie ein kauziger Eigenbrötler, der irgendwo in Abgeschiedenheit lebt und seine Einsamkeit kultiviert.


Fitzsimmons ist in der Tat ein Kauz, und die Einsamkeit ist ihm ebenfalls vertraut. Seine Stücke, gesungen mit leiser, fast flüsternder Stimme, behutsam begleitet mit der Akustikgitarre, handeln zumeist von schweren Themen – vom Tod, der Trennung von seiner Frau oder der Scheidung seiner Eltern. Ohne seine Musik wäre die Welt dann auch ein Stück fröhlicher, wie er selber schmunzelnd einräumt. „Ich hoffe ihr seid gekommen, um traurig zu werden!“ adressiert er die andächtig lauschenden Fans. Aber ohne seine Musik wäre die Welt auch ein Stück ärmer - das verrät ein Blick in die seligen Gesichter der Zuhörer. Und dass gerade die traurigste Musik eine reinigende Wirkung haben kann, beweist Fitzsimmons zwischen den Stücken: charmant und aufgeweckt kommt er daher, macht Witze über seinen beeindruckenden Bart („der beste Bart des Universums!“) und schafft es immer wieder, die Fans zum lachen zu bringen - Musik ist bei ihm eben auch Katharsis, das Schreiben und Singen ein reinigender Prozess.


Mit seiner samtpfotigen Vortragsweise passt er dabei ganz hervorragend in den sakralen Rahmen der Martinikirche, die schwierige Akustik des großen Kirchenraumes erweist sich wie geschaffen für seine Musik, die hier genug Platz bekommt, um sich zu entfalten. Und wenn die Fans im Chor den Refrain von „You still hurt me“ singen, kommt tatsächlich eine andächtige Stimmung auf, die dem kirchlichen Rahmen mehr als würdig ist. So wird das Konzert zu einem besonderen, sinnlich-besinnlichem Erlebnis – und auch wenn seine Stücke die Traurigkeit gepachtet haben, am Ende sind die Zuhörer ein Stück fröhlicher und die Welt zumindest für einen Abend ein besserer Ort.


Freitag, 20. November 2009

Sendung vom 18.11.2009

Hier die Playlist zum kleinen Boom Bap-Ausflug:

01 ADOR - Let It All Hang Out
02 Lord Finesse feat. KRS One & OC - Brainstorm
03 KRS One feat. Das EFX - Represent The Real Hip Hop
04 Organized Konfusion - Confrontations
05 Big Pun feat. Fat Joe - Twinz
06 Artifacts - The Ultimate (Showbiz Remix)
07 Show & AG feat. KRS One & Big Pun - Drop It Heavy
08 Brand Nubian - STraight Outta Now Rule
09 Pete Rock & Deda - Cant Wait
10 INI - Square One
11 Pete Rock & Deda - Nasty Scene
12 Tame One - Concerto
13 Artifacts - Wrong Side Of The Tracks

Sendung verpasst? Hier!

Dienstag, 17. November 2009

Sendung vom 04.11.2009

Ein kleines Österreich-Special:

01 Waxolutionists feat. Ty - Roll With The Punches
02 Waxolutionists feat. Hygher Baby - Flashlight
03 Waxolutionists feat. LyricL & Andrea Clark - Journey
04 Apollo Gold - Apollo's Theme
05 Apollo Gold - 400 PS
06 Manuva feat. Deph Joe - Emily
07 Waxolutionists feat. Blu - Steel Remains
08 Waxolutionists feat. Rusty Redenbacher - Take This Job
09 Waxolutionists feat. Blade - Get The Picture
10 Waxolutionists feat. Rückgrat - Slangdunk
11 Waxolutionists feat. Schoolz Of Thought - Wrecka Stow
12 Apollo Gold - Lady Butterfly
13 Apollo Gold - Sag Kein Wort
14 Total Chaos - Hauptsache

Anhören? Hier!

Mittwoch, 11. November 2009

Alice Russell im Gleis 22

Pfeifkonzerte sind ja normalerweise eher ein schlechtes Zeichen. Eine Menschenmasse, die ihre Emotionen in ohrenbetäubendem Lärm kanalisiert, das kann eigentlich nichts gutes heißen. Am Dienstagabend gab es im Gleis 22 ein Pfeifkonzert, das sich gewaschen hat – allerdings war dieses, soviel ist sicher, ein Ausdruck schierer Begeisterung. Wie könnte man auch unzufrieden sein, nach einem solchen Konzert?


Grund der Euphorie ist die britische Soulsängerin Alice Russell. Und, das muss in diesem Fall zwingend hinzugefügt werden, ihre großartige Band. Völlig zu Unrecht im Schatten von jungen, großen Souldamen wie Duffy, Amy Winehouse und Joss Stone, gilt die junge Britin unter Kennern längst als eine der wichtigsten Stimmen im Bereich neuerer Soul- und Funkmusik. Ihre Einflüsse reichen hörbar von Minnie Riperton über Aretha Franklin bis zu Jill Scott, ihre voluminös-soulige und gleichzeitig wunderbar klare Stimme findet immer das richtige Maß zwischen Laszivität, Power und naiver Unbekümmertheit, ihre ungemein selbstsichere, freche Bühnenpräsenz ist längst zum Markenzeichen geworden – alles zusammen macht ein Konzert mit Miss Russell zum Erlebnis erster Güte.


Nicht nur, dass die eigenen Stücke vor Groove und Seele nur so strotzen, sie schafft es auch, einem Coversong ihren ganz eigenen Stempel aufzudrücken: der alte White Stripes-Gassenhauer „Seven Nation Army“ klang noch nie so sexy wie hier. Und das ist noch nicht alles – da ist ja auch noch die wunderbare Band, ohne die sowohl Russell als auch das Publikum nur halb so viel Spaß hätten. Und ihre Jungs sehen nicht nur gut aus (Russell im schwarzen Pailettenkleid, die Band in einheitlichem Weiß – „Dressed To Impress“ ist nicht nur die Zugabe, sondern auch das Motto des Abends), sondern stehlen ihr mit spontanen Tanzeinlagen und sonstigen Späßen nicht nur einmal fast die Show. Aber nur fast, schließlich ist auch Russells Robot-Dance nicht von schlechten Eltern.


Apropos Show: Als die Band im Kollektiv zu Boden geht und den Toten Mann macht, bleibt Miss Russell stehen und schaut auf sie herab – ein gut choreographiertes, selbstbewusstes Statement: Die Frau ist eine Klasse für sich, und die Männer liegen ihr eben zu Füßen. Wie könnten sie auch anders?