Sonntag, 8. November 2009
Nachtrag - Patrick Wolf im Gleis 22
Mädchen kreischen hysterisch und sind außer sich, Jungs reißen begeistert die Hände in die Luft und tanzen, so gut es auf dem engen Raum eben geht. Es ist heiß, das Gedränge ist groß, die Blitze der Digitalkameras sind im Dauereinsatz. Im Publikum stehen Punks neben jungen Studentinnen mit Handtäschchen, hier und da sticht ein glitzerndes, grell leuchtendes modisches Relikt aus den Achtzigern aus der Menge hervor – selten ist das Publikum im Gleis 22 so durchmischt wie am Dienstagabend.
Verantwortlich für den Andrang und die Begeisterung ist der gerade mal 26-jährige Patrick Wolf. In seinen jungen Jahren hat er bereits vier Alben auf dem Konto und wird längst als veritabler Nachfolger von David Bowie gehandelt. Dessen Spiel mit uneindeutigen sexuellen Rollen, dessen musikalische Wandelbarkeit und exzentrische Selbstinszenierung hat Wolf verinnerlicht und neu belebt. Für sein neues Album hat er erstmals mit anderen Musikern zusammengearbeitet, auf Tour begleitet ihn eine vierköpfige Band.
Doch auf der Bühne ist er der absolute Mittelpunkt und seine Musiker nicht mehr als Erfüllungsgehilfen. Immer wieder weist er den Mischer an, die Lautstärke minimal anzupassen – Wolf ist Perfektionist bis ins kleinste Detail, und er beherrscht auch die Kunst der Inszenierung perfekt: Exotisch geschminkt, mit gestreiftem Umhang und schwarzer Kunststoff-Federboa tritt er auf, nimmt seinen Platz in der Bühnenmitte ein und hebt beschwörend die Arme. Eindrucksvoll seine tiefe Stimme, wehmütig sein Blick, theatralisch seine Gesten – alle Augen sind jetzt auf ihn gerichtet.
Doch der erhabene Prediger ist nur eine seiner vielen Rollen: in den folgenden 90 Konzertminuten spielt Wolf den Glam-Rocker genauso überzeugend wie den sensiblen Barden, gibt sich mal verletzlich und introvertiert und mal als exzentrische Rampensau. Seine Musik vereint den Synthiepop und die Ästhetik der 80er Jahre mit Heavy Metal und Hard Rock, gibt den stampfenden Dancebeats von „Vulture“ genauso eine Berechtigung wie dem naiven Pop von „Magic Position“.
Patrick Wolf bewegt sich damit gekonnt jenseits von Genre- und Geschmacksgrenzen und vereint all die vermeintlichen Widersprüchlichkeiten um seine Musik und seine Person zum schillernden Gesamtbild eines exzentrischen Popstars, einer Kunstfigur jenseits der Norm, die sich musikalisch, stilistisch und sexuell nicht festlegen lässt.
Labels:
Livegeschichten
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