Werfen wir mal einen Blick auf die Hiphop-Szene in unserem netten kleinen Nachbarland. Hiphop und Holland - fängt zwar beides mit H an, würde man aber sonst wahrscheinlich nicht direkt miteinander in Verbindung bringen. Ich meine, was kennt man schon an Musik aus Holland? 2Unlimited, Caught In The Act, Charlie Lownoise & Mental Theo, DJ Tiesto...Alles nicht gerade Garanten für gute Musik.
Und im Hiphop? Mh...Den meisten fällt da wahrscheinlich gar nichts zu ein. Wenn man aber ein wenig nachdenkt, könnte man doch auf ein zwei Sachen kommen. Für Furore, auch in Deutschland, haben Pete Philly & Perquisite gesorgt, als ihr erstes Album erschien, ich meine es war 2006. Mindstate heißt das Ding, und der Name ist hier Programm: Die Titel sind nach Gemütszuständen benannt, und das Konzept dahinter ist, naheliegend, eine musikalische Umsetzung der Titel. Das ist größtenteils geglückt, und so ist ein interessantes Album entstanden, das vor allem wegen der sehr musikalischen und vielschichtigen Beats mehr als nur hörenswert ist. Ende letzten Jahres kam dann das zweite Album, Mystery Repeats, und auch das sollte man nicht an sich vorbeiziehen lassen. Im Grunde wird der musikalische Kurs des ersten Albums fortgeführt - musikalische Beats, oft mit Live-Instrumenten und leichten Jazz-Einflüssen, aber nie verfrickelt und seicht, sondern immer mit dem nötigen Druck dahinter. Hören und kaufen!
Das alles ist auf Englisch und damit auch für die meisten verstehbar. Es gibt aber natürlich auch Hiphop in der Landessprache. Wie auch in Deutschland erfährt Hiphop-Musik im Moment einen großen Hype, und Hypes habern es meistens an sich, dass sie viel Mist mit an die Oberfläche spülen. Da ist auch Holland keine Ausnahme.
Allerdings muss man dort momentan nicht so tief graben wie in Deutschland, um Veröffentlichungen zu finden, die einem gewissen Anspruch an Texte und Beats gerecht werden. Im Gegenteil, an der Spitze der 'Nederhop'-Szene marschieren seit ein paar Jahren drei Jungs aus Zwolle, die mit ihrer Musik einen ganz anderen Weg verfolgen als die zahllosen Ami-Rap-Kopien mit immer gleichen Beats und Inhalten. Opgezwolle beweisen seit nunmehr 3 Alben, dass es möglich ist, eine eigene musikalische Vision abseits ausgetretener Pfade und Anbiederei an all die Kanye West's da draußen zu verfolgen. Und damit obendrein noch großen Erfolg zu haben. Ihr letztes Album EigenWereld ist ein Musterbeispiel an facettenreicher Eigenständigkeit, manchmal recht sperrig, aber konzeptuell musikalisch wie auch textlich äußerst gelungen. Opgezwolle sind für die niederländische Hiphop-Szene das, was IAM für Frankreich ist. Oder so ähnlich zumindest.
Hier das Video von "Rustug" (ruhig):
Und hier das Video von "Verre Oosten" (Ferner Osten), eine Hommage an ihre Heimat Zwolle (mäßiges Video, aber Knaller-Track!)
Und dann gibt es da noch Typhoon. Dieser junge MC, er ist um die 20, stammt ebenfalls aus dem Opgezwolle-Dunstkreis. Seine bisherigen Singles und Features hatten mich nicht gerade überzeugt. Zu oft waren da Refrains, die an Peinlichkeit grenzten, jede Menge Popappeal und Gefälligkeit, Durchschnittlichkeit und wenig originelles. Seine Single "Vluchtgedrag" (Fluchtverhalten)zum Beispiel, in der er für mehr Toleranz gegenüber Flüchtlingen plädiert, ist zwar gut gemeint, leidet aber an Überambitioniertheit, schlimmem Refraingesang und gleichzeitig einer schwachen Produktion. Das, so war mein Eindruck, ist bei Typhoon meistens der Fall, und so hatte ich ihn schon komplett abgeschrieben.
Als ich dann aber von seinem Soloalbum erfuhr und davon, dass Opgezwolle-Producer Delic einen Großteil der Beats produziert hat, wurde ich doch neugierig. Nun, Delic hat einen Beat auf dem Album, dementsprechend wurden meine Erwartungen enttäuscht. Aber das ist auch die einzige Enttäuschung - Es gab lange kein Album mehr, das mich so umfassend überzeugt hat und, mehr noch, mich schier euphorisch gestimmt hat. Tussen Licht En Lucht ist, ohne zu sehr zu übertreiben, ein Instant-Klassiker. Das Album ist eine organische Einheit mit teils überragenden Produktionen und ohne einen einzigen wirklichen Tiefpunkt. Die Beats haben immer die nötige Kraft, und wo man zu Anfang noch skeptisch zuhört, weichen die Zweifel bald ungeminderter Begeisterung. Musikalisch höchst abwechslungsreich kommt das Album daher, mit zwei dicken Brettern direkt am Anfang, nur um danach ins nachdenklich-ruhige abzugleiten. Live-Instrumentierung unterstützt ein paar Nummern, und nur bei ein oder zwei Tracks kommt ein vages schon-mal-gehört-Gefühl auf. Ansonsten klingt das Ganze überraschend fresh, originell und unverbraucht. Typhoon beherrscht sein Fach, überzeugt auf allen Gebieten der MC-Kunst. Ob es nun persönliche Texte sind, philosophische Überlegungen oder Representer-Lyrics, der Mann weiß was er tut. In einem Forum wurde ein Vergleich zu Nas und seinem Meilenstein-Debut Illmatic gezogen, und auch wenn man sich hier in den höchsten Sphären der Hiphop-Geschichte bewegt, ist der Vergleich gar nicht so abwegig. Ein junger hungriger MC, ausgestattet mit großem Talent und überragenden, zeitlosen Beats - insofern passt der Vergleich wie Arsch auf Eimer. Typhoons Debut ist momentan mit das Beste, was Holland in Sachen Rap zu bieten hat, und für mich ist es nachträglich noch in meine Top-3-Hiphop-Alben-Liste für 2007 reingerutscht. Großartig!
Hier das Video zu "Volle Maan" (Vollmond):
Das hier ist der Opener des Albums, "Hotel Beschaving" (Hotel Kultiviertheit/Zivilisiertheit), leider kein wirkliches Video ;-):
Montag, 14. Januar 2008
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