Lieber Leser, wussten Sie, dass man Eisbären mit einem Infrarotgerät nicht sehen kann, weil die Strahlen nicht durch die dicke Fettschicht dringen? Das macht die weißen Riesen zu einem hervorragenden Versteck. Wenn man nicht gefunden werden will, kann man zum Beispiel in den Bauch des Bären kriechen. Dort ist es zwar schön warm, aber auch ein bisschen klebrig. Und es riecht etwas nach Fisch. Wussten Sie nicht?
Cherilyn Macneil weiß so was, und sie erzählt es gerne weiter. Und nicht nur das, sie hat sogar einen Song darüber geschrieben. „Great White Bear“ heißt der und ist nur eines der vielen Highlights, die sie mit ihrer Band Dear Reader am Sonntagabend dem Publikum in Münsters Gleis 22 beschert. Eigentlich ist das ganze Konzert eine Bescherung – der Gabentisch von Dear Reader ist reich gedeckt mit musikalischen Kleinoden, und die teilen sie gerne mit dem begeisterten Publikum.
Die südafrikanische Band kann getrost als neuer Stern am Indie-Folk-Pop-Himmel bezeichnet werden. Ihre Musik klingt nach eigenen Angaben wie „wenn du soviel fühlst, dass du explodieren könntest und dann über dich selbst lachst, weil du so ein melodramatischer Depp bist“.
In Musik umgesetzt ist das eine Mischung aus der richtigen Portion Gefühl, hemmungsloser Spielfreude und dem unbändigen Willen zur großen Popgeste, ohne dabei in die seichten Gewässer der Stadionkompatibilität abzudriften. Und die Songs sind nicht nur wirklich gut und sehr kreativ, die fünfköpfige Band spielt obendrein fantastisch auf. Die Musiker strahlen förmlich vor Freude, wechseln flink Positionen und Instrumente und singen tolle mehrstimmige Hintergrundchöre. Dazu kommen eine Bratsche und eine clever eingesetzte Loopmaschine als Sahnehäubchen auf den musikalischen Leckerbissen.
Und Frontfrau Macneil erst: Mit glänzenden Augen und verschmitztem, mädchenhaften Lächeln steht sie mal am Keyboard, mal an der Gitarre, hämmert mal ungestüm auf die Tasten und zupft im nächsten Moment behutsam die Saiten. Dazu singt sie mit einer glasklaren Stimme ihre wunderbaren Melodien, gibt sich mal verletzlich zart, mal tough und cool, immer aber im Dienste der Schönheit der Musik. Und dazu dieser zauberhafte Augenaufschlag – wer dieser Frau nicht beim ersten Song erliegt, hat kein Herz.
Dear Reader beherrschen die Gratwanderung zwischen Tanzbarkeit und Ohrwurmmelodien, tollen Ideen und kleinen, liebenswerten Details, die ihre Musik mit Leichtigkeit vom Vorwurf der Beliebigkeit freisprechen. Das ist Popmusik auf hohem Intelligenzniveau, unangreifbar schön und absolut einnehmend.
Dienstag, 29. September 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen