Mittwoch, 30. September 2009
Dienstag, 29. September 2009
Dear Reader im Gleis 22
Lieber Leser, wussten Sie, dass man Eisbären mit einem Infrarotgerät nicht sehen kann, weil die Strahlen nicht durch die dicke Fettschicht dringen? Das macht die weißen Riesen zu einem hervorragenden Versteck. Wenn man nicht gefunden werden will, kann man zum Beispiel in den Bauch des Bären kriechen. Dort ist es zwar schön warm, aber auch ein bisschen klebrig. Und es riecht etwas nach Fisch. Wussten Sie nicht?
Cherilyn Macneil weiß so was, und sie erzählt es gerne weiter. Und nicht nur das, sie hat sogar einen Song darüber geschrieben. „Great White Bear“ heißt der und ist nur eines der vielen Highlights, die sie mit ihrer Band Dear Reader am Sonntagabend dem Publikum in Münsters Gleis 22 beschert. Eigentlich ist das ganze Konzert eine Bescherung – der Gabentisch von Dear Reader ist reich gedeckt mit musikalischen Kleinoden, und die teilen sie gerne mit dem begeisterten Publikum.
Die südafrikanische Band kann getrost als neuer Stern am Indie-Folk-Pop-Himmel bezeichnet werden. Ihre Musik klingt nach eigenen Angaben wie „wenn du soviel fühlst, dass du explodieren könntest und dann über dich selbst lachst, weil du so ein melodramatischer Depp bist“.
In Musik umgesetzt ist das eine Mischung aus der richtigen Portion Gefühl, hemmungsloser Spielfreude und dem unbändigen Willen zur großen Popgeste, ohne dabei in die seichten Gewässer der Stadionkompatibilität abzudriften. Und die Songs sind nicht nur wirklich gut und sehr kreativ, die fünfköpfige Band spielt obendrein fantastisch auf. Die Musiker strahlen förmlich vor Freude, wechseln flink Positionen und Instrumente und singen tolle mehrstimmige Hintergrundchöre. Dazu kommen eine Bratsche und eine clever eingesetzte Loopmaschine als Sahnehäubchen auf den musikalischen Leckerbissen.
Und Frontfrau Macneil erst: Mit glänzenden Augen und verschmitztem, mädchenhaften Lächeln steht sie mal am Keyboard, mal an der Gitarre, hämmert mal ungestüm auf die Tasten und zupft im nächsten Moment behutsam die Saiten. Dazu singt sie mit einer glasklaren Stimme ihre wunderbaren Melodien, gibt sich mal verletzlich zart, mal tough und cool, immer aber im Dienste der Schönheit der Musik. Und dazu dieser zauberhafte Augenaufschlag – wer dieser Frau nicht beim ersten Song erliegt, hat kein Herz.
Dear Reader beherrschen die Gratwanderung zwischen Tanzbarkeit und Ohrwurmmelodien, tollen Ideen und kleinen, liebenswerten Details, die ihre Musik mit Leichtigkeit vom Vorwurf der Beliebigkeit freisprechen. Das ist Popmusik auf hohem Intelligenzniveau, unangreifbar schön und absolut einnehmend.
Cherilyn Macneil weiß so was, und sie erzählt es gerne weiter. Und nicht nur das, sie hat sogar einen Song darüber geschrieben. „Great White Bear“ heißt der und ist nur eines der vielen Highlights, die sie mit ihrer Band Dear Reader am Sonntagabend dem Publikum in Münsters Gleis 22 beschert. Eigentlich ist das ganze Konzert eine Bescherung – der Gabentisch von Dear Reader ist reich gedeckt mit musikalischen Kleinoden, und die teilen sie gerne mit dem begeisterten Publikum.
Die südafrikanische Band kann getrost als neuer Stern am Indie-Folk-Pop-Himmel bezeichnet werden. Ihre Musik klingt nach eigenen Angaben wie „wenn du soviel fühlst, dass du explodieren könntest und dann über dich selbst lachst, weil du so ein melodramatischer Depp bist“.
In Musik umgesetzt ist das eine Mischung aus der richtigen Portion Gefühl, hemmungsloser Spielfreude und dem unbändigen Willen zur großen Popgeste, ohne dabei in die seichten Gewässer der Stadionkompatibilität abzudriften. Und die Songs sind nicht nur wirklich gut und sehr kreativ, die fünfköpfige Band spielt obendrein fantastisch auf. Die Musiker strahlen förmlich vor Freude, wechseln flink Positionen und Instrumente und singen tolle mehrstimmige Hintergrundchöre. Dazu kommen eine Bratsche und eine clever eingesetzte Loopmaschine als Sahnehäubchen auf den musikalischen Leckerbissen.
Und Frontfrau Macneil erst: Mit glänzenden Augen und verschmitztem, mädchenhaften Lächeln steht sie mal am Keyboard, mal an der Gitarre, hämmert mal ungestüm auf die Tasten und zupft im nächsten Moment behutsam die Saiten. Dazu singt sie mit einer glasklaren Stimme ihre wunderbaren Melodien, gibt sich mal verletzlich zart, mal tough und cool, immer aber im Dienste der Schönheit der Musik. Und dazu dieser zauberhafte Augenaufschlag – wer dieser Frau nicht beim ersten Song erliegt, hat kein Herz.
Dear Reader beherrschen die Gratwanderung zwischen Tanzbarkeit und Ohrwurmmelodien, tollen Ideen und kleinen, liebenswerten Details, die ihre Musik mit Leichtigkeit vom Vorwurf der Beliebigkeit freisprechen. Das ist Popmusik auf hohem Intelligenzniveau, unangreifbar schön und absolut einnehmend.
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Livegeschichten
Montag, 21. September 2009
Samy Deluxe im Skaters Palace
Die Zeit ist nicht spurlos an ihm vorbeigezogen. Samy Deluxe ist älter geworden, erwachsen und vernünftig. Das sieht man ihm an, wenn er auf der Bühne steht, aber man hört es vor allem auch, in seiner Musik und in seinen Texten. Ein Blatt hat er noch nie vor den Mund genommen, egal ob es um den Konsum weicher Drogen oder um Gesellschaftskritik ging. Daran hat sich nichts geändert, aber der Ton ist anders geworden, weicher, altersmilde. Vor zehn Jahren war Deutschland für ihn ein „Albtraum“, aus dem er geweckt werden wollte, heute findet er es hier eigentlich ganz OK. „Wir sind keine Kinder mehr“ heißt dann auch die vernunftregierte Losung, die er gleich zu Beginn seines Konzertes am Freitagabend im Skaters Palace herausgibt.
Sonnenbrille, Anzug und Künstlerschal, im Rücken eine sechsköpfige Band und zwei Backgroundsängerinnen – so präsentiert sich Samy Deluxe seinem jungen Publikum. Ein gereifter Künstler, dem das Hip Hop-Korsett zu eng geworden ist. Oder um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: „Ich bin so was wie ein Sozialpädagoge, nur in etwas schickerer Abendgarderobe“. Heute ist er die Stimme des Volkes, hat sich zum Sprachrohr der Jugend aufgeschwungen und verbreitet einen neuen Optimismus. Das schlägt sich auch in der Musik nieder – Radiotauglichkeit, Rockriffs und Reggaerhythmen haben die rohen, ungeschliffenen Beats früherer Tage verdrängt. Früher war er „Deutschlands derbster MC“, heute singt er Sachen wie: „meine Oma ist die Beste“. Der Werdegang vom hungrigen, dreisten Ausnahmerapper zum kuscheligen Lieblingsenkel für die ganze Familie wurde nicht kritiklos hingenommen, viele haben sich von ihm abgewandt, vermissen die alte rotzige Derbheit. Doch Samy Deluxe ist so erfolgreich wie nie zuvor, füllt große Hallen und macht seine Fans glücklich. Alles gut also. Und wenn er zwischen Hardrock-Einlagen und Reggaegrooves doch mal auf die Rapschiene wechselt, wird schnell klar: er ist immer noch der derbe MC von damals, und immer noch können ihm nicht viele das Wasser reichen.
Schade nur, dass es so lange dauert, bis er das unter Beweis stellt. Erst in den Zugaben gibt er richtig Gas und zeigt seine nach wie vor formidablen Rap-Künste. Rasend schnell, präzise getimt und flüssig wie Wasser, da ist der Inhalt schon fast egal – er könnte auch übers Taubenzüchten oder über seine Waschmaschine rappen. So findet das Konzert einen mehr als versöhnlichen Abschluss, denn Samy Deluxe ist eben trotz allem ein Vollblut-Rapper. Das kann er am Besten, das wollen die Fans hören, und ganz ehrlich, es macht ihm doch auch am meisten Spaß.
Sonnenbrille, Anzug und Künstlerschal, im Rücken eine sechsköpfige Band und zwei Backgroundsängerinnen – so präsentiert sich Samy Deluxe seinem jungen Publikum. Ein gereifter Künstler, dem das Hip Hop-Korsett zu eng geworden ist. Oder um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: „Ich bin so was wie ein Sozialpädagoge, nur in etwas schickerer Abendgarderobe“. Heute ist er die Stimme des Volkes, hat sich zum Sprachrohr der Jugend aufgeschwungen und verbreitet einen neuen Optimismus. Das schlägt sich auch in der Musik nieder – Radiotauglichkeit, Rockriffs und Reggaerhythmen haben die rohen, ungeschliffenen Beats früherer Tage verdrängt. Früher war er „Deutschlands derbster MC“, heute singt er Sachen wie: „meine Oma ist die Beste“. Der Werdegang vom hungrigen, dreisten Ausnahmerapper zum kuscheligen Lieblingsenkel für die ganze Familie wurde nicht kritiklos hingenommen, viele haben sich von ihm abgewandt, vermissen die alte rotzige Derbheit. Doch Samy Deluxe ist so erfolgreich wie nie zuvor, füllt große Hallen und macht seine Fans glücklich. Alles gut also. Und wenn er zwischen Hardrock-Einlagen und Reggaegrooves doch mal auf die Rapschiene wechselt, wird schnell klar: er ist immer noch der derbe MC von damals, und immer noch können ihm nicht viele das Wasser reichen.
Schade nur, dass es so lange dauert, bis er das unter Beweis stellt. Erst in den Zugaben gibt er richtig Gas und zeigt seine nach wie vor formidablen Rap-Künste. Rasend schnell, präzise getimt und flüssig wie Wasser, da ist der Inhalt schon fast egal – er könnte auch übers Taubenzüchten oder über seine Waschmaschine rappen. So findet das Konzert einen mehr als versöhnlichen Abschluss, denn Samy Deluxe ist eben trotz allem ein Vollblut-Rapper. Das kann er am Besten, das wollen die Fans hören, und ganz ehrlich, es macht ihm doch auch am meisten Spaß.
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Livegeschichten
Astronautalis im Gleis 22
Es gibt Abende, da ist die Erwartung niedrig und die Überraschung groß. Man erwartet ein nettes Konzert, etwas Unterhaltung und gute Musik, nicht weniger aber auch nicht viel mehr. Und dann passiert etwas, das alle Erwartungen übertrifft, etwas, das einzigartig und so großartig ist, dass man es kaum in Worte fassen kann. Bei der Konzertreihe „Münster Weltweit“ im Gleis 22 am Mittwochabend deutete zuerst nichts darauf hin, dass dies ein solcher Abend werden könnte, doch es sollte eine Sternstunde werden. In der Newcomer-Reihe trafen dieses Mal zwei münstersche Formationen auf den Amerikaner Astronautalis. Die vierköpfigen Sinnapparat eröffnen den Abend recht konventionell und gefällig mit schönem deutschen Gitarrenpop, ohne damit Gefahr zu laufen, irgendwo anzuecken. Ähnlich die Elektrorocker von Klubgrün, die ihre verzerrten Gitarrenbretter mit einem dick gefütterten Synthieteppich unterlegen und damit deutlich in Richtung Bloc Party schielen. Tanzbar ist das absolut, das Publikum schwenkt Neonlichter, es riecht nach Indie-Disco. Doch der Vergleich zum Hauptact lässt beide klein aussehen. Der stellt mit seiner One-Man-Show nämlich im Handumdrehen das zuvor Gewesene in den tiefschwarzen Schatten des Vergessens – Astronautalis heißt er, kommt aus Florida, und was er macht, ist kaum zu beschreiben.
Statt einer Band hat er einen Laptop, und der spuckt auf Knopfdruck die schrägsten und holprigsten Beats aus - lärmig dröhnend, bedrohlich rumpelnd, sperrig und widerborstig – und darüber rappt und singt er seine verrückten, kryptischen Texte. Das hatte mal mit Hip Hop zu tun, doch diese Schublade ist für Astronautalis viel zu klein. Seine Stücke sind im Wortsinne wahn-witzige Exkurse zwischen Spoken Word und Highspeed-Rap, technisch und rhythmisch hochpräzise, inhaltlich absurd und sehr komisch. Manche Texte werden mit bedrohlich irrem Blick geflüstert, andere in Tom Waits-Manier herausgebrüllt und durch wilde Gestik und Mimik unterstrichen. Zwischen den Stücken gibt es ambivalente Statements wie "kidnapping is an acceptable substitue for dating" oder "while making out is wonderful, voting isn't less important - vote first, then make out!" Aber nicht dass ihn jemand zu ernst nimmt: "You shouldn't listen to anything I told you so far!" ruft er gleich darauf ins Mikro. Ernst nehmen soll man ihn nicht, aber als Spaßvogel taugt er auch nicht: zu komplex ist seine Musik, seine Texte zu verstrickt und sein Humor zu scharfsinnig und tiefgründig. Astronautalis macht Angst, bis man bemerkt, wie sympathisch und klug er ist und wie messerscharf sein Verstand. All der Wahnsinn ist kalkuliert und ist, wenn man sich nur darauf einlässt, bewundernswert. So weicht die anfängliche Skepsis schnell grenzenloser Begeisterung, und spätestens die unglaubliche Freestyle-Zugabe auf Stichwort-Zuruf aus dem Publikum (Fred Durst und Burt Reynolds brechen mittels einer Rohrbombe aus der Reha aus und fliehen mit einem kleinen Kätzchen nach Norwegen) macht klar – dieser Abend ist einzigartig und Astronautalis mit seiner Kunst genauso weit draußen, wie es sein Name suggeriert. Große Klasse!
Astronautalis bei MySpace
Statt einer Band hat er einen Laptop, und der spuckt auf Knopfdruck die schrägsten und holprigsten Beats aus - lärmig dröhnend, bedrohlich rumpelnd, sperrig und widerborstig – und darüber rappt und singt er seine verrückten, kryptischen Texte. Das hatte mal mit Hip Hop zu tun, doch diese Schublade ist für Astronautalis viel zu klein. Seine Stücke sind im Wortsinne wahn-witzige Exkurse zwischen Spoken Word und Highspeed-Rap, technisch und rhythmisch hochpräzise, inhaltlich absurd und sehr komisch. Manche Texte werden mit bedrohlich irrem Blick geflüstert, andere in Tom Waits-Manier herausgebrüllt und durch wilde Gestik und Mimik unterstrichen. Zwischen den Stücken gibt es ambivalente Statements wie "kidnapping is an acceptable substitue for dating" oder "while making out is wonderful, voting isn't less important - vote first, then make out!" Aber nicht dass ihn jemand zu ernst nimmt: "You shouldn't listen to anything I told you so far!" ruft er gleich darauf ins Mikro. Ernst nehmen soll man ihn nicht, aber als Spaßvogel taugt er auch nicht: zu komplex ist seine Musik, seine Texte zu verstrickt und sein Humor zu scharfsinnig und tiefgründig. Astronautalis macht Angst, bis man bemerkt, wie sympathisch und klug er ist und wie messerscharf sein Verstand. All der Wahnsinn ist kalkuliert und ist, wenn man sich nur darauf einlässt, bewundernswert. So weicht die anfängliche Skepsis schnell grenzenloser Begeisterung, und spätestens die unglaubliche Freestyle-Zugabe auf Stichwort-Zuruf aus dem Publikum (Fred Durst und Burt Reynolds brechen mittels einer Rohrbombe aus der Reha aus und fliehen mit einem kleinen Kätzchen nach Norwegen) macht klar – dieser Abend ist einzigartig und Astronautalis mit seiner Kunst genauso weit draußen, wie es sein Name suggeriert. Große Klasse!
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